Distanzierungsangebote für Jugendliche
Distanzierungsangebote müssen ansprechend und niedrigschwellig beschaffen sein, um möglichst viele und unterschiedliche Heranwachsende erreichen zu können. Junge Menschen werden auf individuell justierte Weise dazu angeregt, rassistische, antisemitische, antimuslimische, sexistische und anderweitig menschenfeindliche Haltungen zu überwinden. Gleichzeitig erfahren sie Hilfestellung darin, eine gewaltfreie und auf Solidarität, Engagement und Freiheitsrechte gerichtete Lebenshaltung anzunehmen. Die Angebote sollen an Schulen, in Jugendeinrichtungen ebenso wie in ambulanten Hilfemaßnahmen oder als spezielle Sozialtrainings umgesetzt werden.
Jugend- und Sozialarbeiter*innen sowie Lehrkräfte werden darin unterstützt, einen möglichst souveränen und effektiven Umgang mit menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Haltungen für sich zu entwickeln. Eine überzeugende demokratische und menschenrechtliche Grundhaltung, tragfähige Erstreaktionskompetenzen und narrative Dialogführung, vertrauensvoll-wirkungsorientierte Einzelgespräche mit Kindern und Jugendlichen sowie pädagogische Interventionen in Gruppen stellen wichtige Handlungsebenen dar. Hierfür ist ein Repertoire an methodischen Maßnahmen und Settings verfügbar, so dass dem Erstarken von populistisch-menschenfeindlichen, demokratiegefährdenden und rechtsextremen Entwicklungen entgegengewirkt werden kann.
Es ist zunehmend dringlich geboten, in allen Bundesländern – und insbesondere in Regionen mit großem Problemdruck und hohen Zustimmungswerten zu demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Haltungen – fachkundige sekundärpräventive Distanzierungsangebote vorzuhalten. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Kolleg*innen in den Regelstrukturen und in Projekten der Primärprävention vielfach herausgefordert sind, wenn sie angesichts stark verhärteter Meinungen, schwieriger Gruppen- und Umfeld-Dynamiken sowie mangelnder Ressourcen wirksame Handlungsstrategien einsetzen wollen.
mit Time-Out-Verfahren, narrativen Gesprächsgruppen und intensivpädagogischen Einzel- oder Gruppentrainings
Die Fachstelle Distanzierungsarbeit bietet bundesweit niedrigschwellige Angebote an. Mit (Schul)Projekttagen und jugendkultureller politischer Bildung lassen sich erste Gesprächskontakte und Diskussionen mit Kindern und Jugendlichen in Gang setzen und demokratische, menschenrechtlich orientierte Haltungen vermitteln. Die gemischten Teams arbeiten lebensweltlich orientiert und stets auf Augenhöhe mit den Jugendlichen, sind ihnen kritisch-zugewandt und moderieren die Gespräche in narrativ-mediierender Weise. Für besonders herausfordernde Situationen ist ein Time-Out-Verfahren entwickelt worden. Hier erfolgt eine direkte persönliche Ansprache. Ferner können Einzelberatungen begonnen werden, die mithilfe von Sozialarbeiter*innen und sozialen Diensten vor Ort weitergeführt werden und nachhaltige Distanzierungs- und Entwicklungsprozesse ermöglichen können.
Punktuell bietet die Fachstelle Distanzierungsarbeit auch Narrative Gesprächsgruppen® in Schulen an (budgetabhängig). Hierbei werden in einer Wochenstunde der Regelunterrichtszeit während mindestens einem Halbjahr Schulklassen in Gruppen von acht bis 13 Schüler*innen im freien Gruppengespräch von je zwei außerschulischen Gruppenleiter*innen begleitet. Beziehungsaufbau, narrative Dialogführung, ein flexibel veränderbares Setting, vollkommene Themenoffenheit und ein begleiteter Auszeitbereich ermöglichen Vertraulichkeit, Freiwilligkeit, persönliche Gesprächsbereitschaft und einen sicheren Erzählraum. Dabei kommen oft auch Erfahrungen im Spektrum von Ausgrenzung, Mobbing, Gewalt, gruppenbezogener Abwertung, antidemokratischen Subkulturen und dergleichen mehr zur Sprache. Die Jugendlichen lernen, sich persönlich mitzuteilen, eigene Erfahrungen ernst zu nehmen und von ihnen zu erzählen, sich gegenseitig zuzuhören und Verständnis für andere und sich selbst zu entwickeln, sich auf respektvolle Weise zu hinterfragen – und gemeinsam an der Schule Strategien für ein gewaltfreieres, respektvolles und an den Grundrechten orientiertes Miteinander zu erarbeiten.
Um Entwicklungs- und Distanzierungsprozesse insbesondere von jungen Menschen und Kindern anregen zu können, die schon früh im Leben menschenfeindliche oder antidemokratische Haltungen aufgenommen haben, sind intensivpädagogisch orientierte Sozial- und Anti-Gewalt-Trainings sowie Gesprächsformate entwickelt worden, die schon in jungen Jahren auf biografische und sozialräumliche Reflexion, korrektive Selbsterfahrungen und den frühen Beginn von persönlichen Veränderungsprozessen hinwirken können. Trainings für eine ‚Frühe Distanzierung‘ richten sich an Jugendliche, die in der Schule einschlägig erkennbar werden oder die im Rahmen von „Jugendhilfe statt Strafe“ durch das Jugendamt verwiesen wurden.
Den Gruppentrainings gehen 90-minütige Einzeltrainings in bis zu 15 Sitzungen voraus. Auch die Eltern und Bezugspädagog*innen können in dieser Phase einbezogen werden. Die Gruppentrainings finden mit vier bis acht Teilnehmenden an 15 Tagen in mehreren Modulen in einer Jugendbildungsstätte statt. Nach den Trainings werden die Jugendlichen in bedarfsgerechten Abständen weiter begleitet und aufsuchend beraten. Nach bis zu sechs Monaten erfolgt ein Abschlussgespräch (vgl. Trainingsbeschreibung in Distanzierungsarbeit 03).
Da das Modellprojekt, in dem die intensivpädagogischen Trainings für eine ‚Frühe Distanzierung‘ entwickelt und erprobt wurden, derzeit noch Möglichkeiten der Weiterfinanzierung erschließt, sind diese Trainings momentan nur eingeschränkt verfügbar. Jedoch können stets bei den zuständigen Stellen Anträge für die Kostenübernahme gestellt werden.